Welche Faktoren tragen zu einem langen und gesunden Leben bei ?
Hier fallen wohl jedem augenblicklich mehrere wichtige Dinge ein:
- Nicht Rauchen
- Wenig Alkohol
- Sport und Bewegung
- Gesunde Ernährung
- Wenig Stress
- Niedrige Blutfette
- Normalgewicht
Das sind zweifellos bedeutende Faktoren. Möglicherweise stehen die ersten zwei (Rauchen und Alkohol) sogar in ihrer Wichtigkeit zu Recht an erster Stelle dieser Liste.
Doch bereits 1988 zeigte eine Studie erstmals ein etwas andere Perspektive:
Soziale Beziehungen, oder eben deren Fehlen, erzeugen einen wesentlichen Risikofaktor für die Gesundheit – und überholen sogar wohlbekannte Faktoren wie Rauchen, Blutdruck, Blutfette, Übergewicht und körperliche Aktivität. [1]
Diese Aussage hat 2010 eine Meta-Studie [in diesem Falle ein statistischer Vergleich sehr vieler wissenschaftlicher Studien] mehr als bestätigt: Mit komplexen statistischen Methoden wurde viele vorangegangene Gesundheits-Studien bewertet und folgendes Ergebnis hervorgebracht:
Soziale Kontakte zu haben, ist der wichtigste Faktor für ein langes und gesundes Leben ! [2]
Von Menschen, die in einem bestimmten Alter starben, wurde ermittelt, wie gut ihre Sozialkontakte waren. 20% weniger von den gestorbenen hatten gute Sozialkontakte, als jenen, die im selben Alter noch lebten.
Es gibt sogar Studien, die soziale Bindungen ganz direkt mit der Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (eine der Haupt-Todesursachen) in Verbindung bringen [2]Grund genug, hier näher hinzusehen:
Was sind eigentlich „soziale Bindungen“ ?
Menschen sind ihrer gesamten Entwicklung nach soziale Wesen. Schon immer war das Überleben wahrscheinlicher, wenn man sich in der Gruppe befand. Und sehr früh bereits muss sich Arbeitsteilung entwickelt haben. Und dies gilt im Wesentlichen heute noch: Kaum ein Erfolg ist denkbar ohne die Hilfe anderer.
Soziale Bindungen können sehr unterschiedlich sein:
- Familie
- Partner
- Freunde
- Arbeitskollegen
- Interessensgruppen
oder:
- Menschen, die man einfach nur kennt
Was nun macht soziale Bindungen „stark“ ?
Soziale Bindungen sind dann stark, wenn der Einzelne sie als relevant für sein Leben betrachtet und entsprechend wertschätzt. Das kann natürlich eine gute Partnerschaft, eine enge Freundschaft oder ein guter Familienzusammenhalt sein. Doch auch andere Beziehungen können so relevant sein, dass sie die Gesundheit fördern:
- Die Mutter des Schulkollegen des eigenen Kindes, mit der man täglich bei Abholen einige Worte wechselt.
- Die Sekräterin eines Büros, das man beruflich oft anrufen muss, und mit der man kurze persönliche Worte wechselt.
- Die Verkäuferin beim Bäcker, die man nach ihren Hüftproblemen fragt.
- Der Postbote, der sich freut, kurz zu plaudern.
- Der alte Herr an der Bushaltestelle, der von der Firma seines Sohnes erzählt.
Hier ließen sich unendlich viele Beispiele finden.
All das trägt dazu bei, dass man „starke soziale Bindungen“ hat.
Starke soziale Bindungen sind auch ohne Partnerschaft möglich !
Dies ist ein interessanter Punkt: Menschen, die starke soziale Bindungen haben, leben durchschnittlich gleich oft alleine, wie mit anderen zusammen. Es hängt sehr maßgeblich davon ab, wie die Gesamtheit aller Beziehungen beschaffen ist.
Natürlich ist es besonders hilfreich, wenn man jemanden hat, der fragt „Wie geht es dir heute ?“ , oder dem man erzählen kann, was einen genervt und was gefreut hat. Doch auch dies können wieder Freunde, Familie, Partner oder sogar Kollegen sein.
Soziale Bindungen heute: schwieriger ?
Dieser Begriff ist gerade in unserer modernen Gesellschaft sehr verschwommen. In den USA hat sich die Anzahl der Menschen, die keinen persönlichen Vertrauten haben, in den letzten 30 Jahren verdreifacht. Sind Menschen heute inmitten von Globalisierung und technischen Möglichkeiten tatsächlich einsamer als früher ? Es ist schwierig zu beurteilen, wie weit dieses Klischee zutrifft. Es stimmt: Es gibt gerade im Bereich der sozialen Medien die gegenläufige Tendenz, sich selbst mit sozialen Bindungen zu überschwemmen. Oft wird hier gewarnt, das seien nur „falsche“ Freunde, sie seien nicht da, wenn man sie braucht, sie repräsentieren höchstens Beliebtheit, nicht aber Integration.
Ich persönlich meine:
Das hängt tatsächlich von jedem Einzelnen selbst ab. Wenn der Wille da ist, gut Kontakte zu haben und sie zu pflegen, werden sie auch da sein.
Deine Sozialkontakte sind das, was du daraus machst !
Was kannst du tun, um stärkere soziale Bindungen zu haben ?
- Gehe mit Menschen, die du kennst, „persönlich“ um. Stelle ihnen persönliche Fragen, interessiere dich für sie.
- Mache Menschen Komplimente. Sage ihnen, was dir an ihnen gefällt. Dadurch wirst du automatisch anziehend für sie.
- Halte dich zurück damit, von dir zu viel zu erzählen. Die meisten Menschen haben starke Bedürfnisse, von sich zu sprechen. wenn du sie dies tun lässt, sind sie erfreut.
- Lerne zu unterscheiden, welche Beziehungen gut und welche nicht gut für dich sind. Menschen kann man nicht ändern. Wenn jemand dich von Anfang an nervt, passt vermutlich die Chemie nicht, dann bleibe lieber auf Distanz.
- „Übe“ soziale Beziehungen. Gehe bewusst auf Menschen zu, wenn es sich ergibt. Beobachte, wie sie reagieren und wie du reagierst. Was du tust, strahlt aus. Und du erntest die Resonanz: Andere gehen auf dich zu.
Ein gutes soziales Netz mit unterschiedlichsten Beziehungen ist sogar die beste Voraussetzung, um einen Partner zu finden, falls du einen suchst. Denn es befreit potenzielle Kandidaten davon, zunächst einmal ein breites Defizit bei dir füllen zu müssen. Und das spüren Menschen unbewusst, und gehen offener auf dich zu.
Was bedeutet all dies in der aktuellen Krise ?
Schätze und pflege die Menschen, die dir nahe sind ! Gehe durch deinen Mund-Nasen-Schutz mit deiner optimistischsten Persönlichkeit geradewegs hindurch und betreibe „distant socializing“. Alle sind froh über aufmunternde Worte, nicht nur du. Jeder ist dankbar für einen Scherz. Alle schätzen stressarmen Umgang noch mehr als früher. Die Zeit ist mitnichten „schlechter denn je“ um gute Kontakte zu knüpfen, sondern bietet ganz andere Möglichkeiten. Sogar per Facebook oder Instagram.
Es kommt nur auf dich an !
Das sind doch durchaus positive Entwicklungen, findest du nicht ?
Schreib mir gerne, was du denkst und wie es dir damit geht !
Deine
Monika
P.S. Zuletzt noch ein Appell: Ruft alte Menschen, die ihr kennt, und die in Heimen leben, einfach regelmäßig mal an ! Selbst kurze Gespräche mit wenigen Fragen nach dem Befinden machen einen riesigen Unterschied und können einem alten Menschen in einer Quarantäne-Situationen den ganzen Tag, eventuell sogar das Leben retten !
[1]House, J. S. et al., Social Relationships and health. In: Science 241 (1988), S. 540-550. Online verfügbar, Stand 17.12.2020.
[2] Holt-Lunstadt et al., Social relationships and mortality risk: A meta-analytic review. In: Plos Med Vol. 7 Issue 7 (Juli 2010). Online verfügbar, Stand 17.12.2020.
[3] Wang, Hui Xing et al., Depressive symptoms, social isolation, and progression of coronary artery atherosclerosis: the Stockholm Female Coronary Angiography Study. In: Psychotherapy and Psychosomatics, 75 (2006), S. 96-102. Online verfügbar, Stand 17.12.2020.